Ich habe in meinem Leben bereits anderthalb Brautkleider für andere Leute genäht. Und jetzt ist es soweit - ich nähe mein eigenes! (dauert aber etwas; die Hochzeit ist erst im Herbst)
Darüber nachgedacht habe ich schon seit langer Zeit - ungefähr seitdem eins meiner damaligen Nähvorbilder ein wirklich tolles Hochzeits-Ensemble genäht hat, bestehend aus Tüllrock und Weste. Nur waren damals (vor mindestens 12 Jahren) bei mir weder Hochzeit noch ausreichend Näherfahrung in Sicht ...
Das Kleid für die Kirche habe ich gekauft (ich hatte Materialvorstellungen, die nervig zu nähen wären) und werde nur ggf. selbst Details hinzufügen, aber das fürs Standesamt selber nähen. Zwei Kleider statt einem haben den Vorteil, dass man sich zur Not umziehen kann, falls man sich bekleckert o.ä. Seien wir mal ehrlich, das steht definitiv auf der Liste der Dinge, die mir realistischerweise passieren könnten!
Kleiner Tipp für Gleichgesinnte vorweg: Auf Mood Sewciety gibt es ein paar Nähtipps für Hochzeitskleider :)
Und nein, ich bin nicht abergläubisch und halte es für völligen Blödfug, dass das Selbstnähen des Brautkleids Unglück brächte. Das kommt aus einer Zeit, in der dies bedeutete, dass man kein Geld für eine Anfertigung hatte.
Bis zum fertigen Kleid wird es aber wohl viele Irrungen und Wirrungen geben ... das "fertige" Probekleid für den ersten Versuch findet ihr ganz unten.
Die Suche nach einem passenden Schnitt ist knifflig. Ich wollte unbedingt einen eher ausgefallenen Schnitt, kein Standardkleid, außerdem ein Schnitt ohne tiefen Ausschnitt, der aber bei viel Oberweite trotzdem nicht so aufträgt (das ist bei weißem Stoff ja sowieso schon so eine Sache). Puh!
Der erste Versuch war ein kurzes Intermezzo mit dem tollen Retroschnitt 121 aus der Burda 12/2019. Stand mir überhaupt nicht. Hätte ich mir denken können, aber so habe ich das Teil wenigstens aus dem Kopf!
Stattdessen bin ich dann auf das Alexa Dress der russischen Marke Patterneasy umgeschwenkt. Es hat ein schönes ausgeformtes Oberteil mit kurvigem V-Ausschnitt (den mochte ich schon beim Irene-Kleid!) und einen asymmetrischen Rock mit Volants.
Die Schnittmuster der Marke haben Vor- und Nachteile: Sie sind relativ günstig, aber dafür sind es Ein-Größen-Schnittmuster. Das ist ja immer so eine Sache, vor allem, wenn man eigentlich verschiedene Größen an verschiedenen Stellen braucht ...
Aber dafür gibts Kurzgrößen! Immerhin: Neben Russisch gibts auch eine englische Beschriftung der Schnittteile. Dafür bin ich dankbar, denn bei der Dresowka-Jeansjacke mit rein polnischer Beschriftung habe ich eine ganze Weile gepuzzelt, bis ich rausfinden konnte, welches Teil wohin gehört.
Die Alexa-Anleitung ist nur auf Russisch, aber die Bilder reichen mir völlig aus.
Hier ist übrigens ein englischer Erfahrungsbericht mit der Marke. Was ich definitiv bestätigen kann: Es ist recht wenig Bewegungszugabe im Schnitt enthalten ...
Bei einem Modell wie diesem mal wieder so eine Sache: Full Bust Adjustment. Ich habe erstmal nachgemessen, wieviel Weite auf Brusthöhe fehlt und es waren 5 cm, also 2,5 cm pro Seite. Mein treues Burda-Nähbuch hat mich mal wieder gerettet; auf der FBA-Seite klebt längst ein Post-it und auch für einen Schnitt mit Taillenabnäher gibt es eine Anleitung. Das Seitenteil habe ich dabei einfach ignoriert, weil es kaum formende Funktion hat.
Gekürzt habe ich nicht - danke, Kurzgrößenschnitt! Hätte ich bei den zig Einzelteilen auch wirklich keine Lust drauf gehabt ...
Erstes Probe-Oberteil: Der Ausschnitt ist mir zu tief und ich werde künftig die Mittelnaht weglassen, dann kriegt man auch eine schönere Einkerbung hin.
Ein Problem:
Die Anprobe war dann ernüchternd: So ist es zu eng. Nachdem ich das Upton Dress von Cashmerette ausprobiert hatte (das verschiedene Cupgrößen bis H enthält), wusste ich auch, warum: Ich war viel zu zaghaft mit der FBA; bei meiner Cupgröße braucht es viel mehr Zugabe. Hätte ich mit einer größeren FBA lösen können (ich habe es mir aber einfacher gemacht), das nützt mir aber nichts für den Rock, der definitiv so nicht passen wird. Und wie gesagt: Es ist ein Ein-Größen-Schnitt.
Sehet selbst das Drama (ok, ich habe außerdem vergessen, dass die russische Statur offenbar mehr Taille hat als ich ... ähem ...):
Die Lösung:
Kurzerhand habe ich die Form des Alexa-Oberteils auf das des Upton Dress übertragen. Dazu erst das Upton Dress-Oberteil abgepaust, dann nahtlos in die Träger des Alexa-Kleids übergegangen. Dankbarerweise lagen die beiden Abnäher auf der Rückseite genau auf der gleichen Stelle!
Auf der Vorderseite habe ich den Brustabnäher zur Taille verlegt und anschließend das Seitenteil einfach als Teilungsnaht aufgemalt.
Das unerwartete Hindernis:
Beim Rock wollte ich es mir eigentlich einfach machen und nochmal eine größere Größe bestellen. Denn die Volants sind einkonstruiert, das lässt sich nicht soo leicht auf einen anderen Schnitt übertragen.
Nur: Es ist eine russische Seite. Sie können aktuell keine internationalen Zahlungen erhalten, d.h. ich kann dort momentan gar nichts kaufen. Mist! Das hatte ich beim Kauf im Januar nicht einkalkulieren können ...
Ausgiebiges Nachmessen zeigte aber: SO viel zu eng wird das Ganze gar nicht - weil ich sowieso erstmal schauen wollte, ob mir der Schnitt an mir gefällt, habe ich das Kleid erstmal fertig zugeschnitten und genäht. Nur das Säumen der Volants habe ich mir gespart.
Und fragt nicht, was ich da beim Taillenband vermurkst habe; ich habe das spätabends angenäht und hatte am nächsten Tag keine Lust, das für ein Probeteil zu korrigieren ;)
Schweigen wir über das Taillenband, ja? |
Die Rückansicht:
Immerhin geht der Rock fast zu. |
FAZIT zum Alexa Dress:
Beim Anprobieren habe ich dann festgestellt: Es ist ein schöner Schnitt und sieht auch okay aus an mir. Aber leider nicht so recht mein Stil :( Nähe ich vielleicht mal in farbig ohne den oberen Volant.
Fürs Brautkleid starte ich den nächsten Versuch mit einem neuen Schnitt. Mehr dazu nach der nächsten Maus.
Status: Neuen Schnitt abpausen!
Verlinkt bei Du für dich am Donnerstag.
Lg
Nria
Oh, ein spannendes Projekt! Da bin ich neugierig, was am Ende DAS Kleid sein wird. Bei dem hier kann man sich den oberen Volant vermutlich wirklich sparen.
AntwortenLöschenGutes Probieren und Gelingen!
Elke
Ich bin auch gespannt. Für eins muss man sich ja irgendwann entscheiden ... (wobei, immerhin kann man sich in Deutschland für 2 Kleider entscheiden, weil Standesamt und Kirche ja nicht gleichzeitig geht)
LöschenAch, wie aufregend! Ich finde, das sieht schon ziemlich gut aus... wobei ich mir beim oberen Volant auch eher unsicher bin. Na, warten wir den nächsten Schnitt ab!
AntwortenLöschenLG
Centi (die sich nicht für Geld und gute Worte dran erinnern kann, was sie auf dem Standesamt getragen hat)
Nach der ganzen Rumeierei, die ich mit diesem Kleid betreibe (und betreiben werde), kann ich mich dann vermutlich in 50 Jahren noch dran erinnern (wenn ich so alt werde) :D
Löschen🎉 Erst mal Gratulation, eine Hochzeit im goldenen Herbst wird sicherlich total schön. Ich staune immer wieder wie du die Dinge einfach änderst. 😊
AntwortenLöschenDa fehlt mir definitiv die Erfahrung. Weiterhin viel Spaß beim ausprobieren und
viele liebe Grüße deine nähbegeisterte Andrea 🍀
Danke! Und ja, das wilde Mixen ist leichter, wenn man es öfter gemacht hat. Es ist aber auch oft schlicht weniger Arbeit, Details von einem Schnitt auf einen Grundschnitt zu übertragen oder sie komplett nachzukonstruieren als bei mehrteiligen Schnittmustern die Anpassung für große Oberweite zu machen ...
LöschenUff, ja das glaube ich dir, dass die Suche nicht ganz einfach ist. Denn auch wenn es "nur" das Standesamt ist, hat man als Näherin ja vielleicht doch mehr Ansprüche an diesen Schnitt als an einfache Sommerkleider etc.
AntwortenLöschenUnd auch gut, dass du noch so viel Zeit hast, dann kannst du noch weiter probieren. Und wir warten gespannt auf die nächste Maus :)
Grüße
Ich trage einfach oft dunkle und/oder gemusterte Sachen, wo Passformfehler oder kleine Verarbeitungsmängel weniger auffallen - ein weißes Kleid ist ein Präsentierteller :D
LöschenWOW, ich zolle dir meinen ganzen Respekt. Ich habe ja auch schon viele Kleider für mich genäht, aber ein Brautkleid... alle Achtung. Ich finde den Schnitt sehr schön und das Probekleid gefällt mir auch sehr gut an dir. Ich bin sehr gespannt auf das finale Kleid. Und wie schön, sich das eigene Hochzeitskleid zu nähen. ♥
AntwortenLöschenHerzensgrüße
Anita