Dienstag, 21. Mai 2024

Von Vorratshaltung und semi-praktischen Entscheidungen - Tasche Annik von Frau Fadenschein

Ich brauchte eine neue Tasche. Jahrelang bin ich mit eher kleinen Taschen ausgekommen, nachdem ich früher immer große gekaufte Ledertaschen besaß (bei denen mir immer irgendwann die Henkel ausgerissen sind - ich trag einfach zu oft Bücher mit mir rum!). 

Oben am Geländer gabs keine Haken für den Schulterriemen, also müssen die Handgriffe herhalten!

Aber jetzt wollte ich endlich wieder eine Tasche, in die ein A4-Format passt. Also mal kurz meine inzwischen recht beachtliche Sammlung an Taschenschnittmustern durchforstet (Rabatte sind einfach zu verlockend) und zwei näher ins Auge gefasst:

  • "Noxx" von Schnittrebell hat diverse Reißverschlussfächer und sieht sehr elegant und erwachsen aus. 
  • "Switch Bag #2" von Kind vom Deich dagegen ist eher etwas funky ... diverse Zusatztaschen sind integriert und sie wirkt eher etwas beutelig.

Aber so richtig zufrieden war ich mit beidem nicht - vor allem, weil mir ursprünglich ein bestimmter Stoff vorschwebte, für die beide Taschen zu sehr unterteilt sind. Zerschnittene Muster sind nur mäßig schön, das musste ich leider bei meiner Möwen-Slingbag feststellen. 
Später habe ich dann alle Pläne umgeschmissen und doch  unifarbenen Stoff verwendet, also hätte ich genauso gut die genannten Schnittmuster nehmen können ... so ist das Leben!

Rückseite: Die Stückelung war natürlich Absicht, was denkt ihr denn!

Ich hatte gerade meine Pinterest-Übersicht über meine Taschenschnittmuster ergänzt (sehr praktisch, weil man so seine Schnittmuster bildlich vor sich sieht statt nur Namen in einer Liste zu lesen), und Pinterest macht einem ja gern Vorschläge für neue Pins ...

... und dann sah ich SIE: Die perfekte Tasche.

  • "Anik" von Frau Fadenschein hat aufgesetzte Vordertaschen, sowohl Tragegriffe als auch einen Umhängeriemen, einen Reißverschluss und innen eine Teilung mit Reißverschlussfach drin.

Alle guten Vorsätze über Bord geworfen und einen neuen Schnitt gekauf!

Dafür habe ich bei den Stoffen die Vorstellung einer absolut perfekt abgestimmten Stoffkombi beiseite gelegt und stattdessen den Verbrauch von vorhandenen Stoffen priorisiert. Ich will endlich mal kräftig Stoff abbauen, nachdem ich in den letzten paar Jahren viel zu viel gekauft habe (von 2019 ist genau ein einziger Stoff übrig, von 2020 noch drei. Es wird langsam).
Bevor ich ein paar Jacken- und Hosenstoffe nachgekauft habe, war ich kurzfristig schon zwanzig Meter im Minus! Demnächst muss ich ordentlich Jacken und Hosen nähen ...

Die Vordertaschen sind eine Art Kellerfalte mit Deckel.

Als Außenstoff habe ich einen grauen Canvas verwendet, den ich 2020 als Rest bei den Stofftanten in Osnabrück gekauft hatte. Super Laden, der u.a. reichlich Auswahl an allem möglichen Taschenzubehör bietet! Dummerweise habe ich ihn erst entdeckt, nachdem ich aus der Stadt weggezogen bin. Zu ärgerlich!

Den blauen Canvas mit Kreisen habe ich 2021 gekauft - womöglich wollte ich eine Laptoptasche draus nähen? Ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls musste ich den Außenstoff etwas strecken, weil ich knapp zu wenig davon hatte.

Der Boden besteht aus weichem Kunstleder, mit Volumenvlies versehen und abgesteppt, ein schöner Kontrast zum Grau. War ein Reststück von der Bergwelle-Tasche (die trage ich übrigens gerne, muss nur mal die Karabiner ersetzen - Billigteile, die nicht gehalten haben).

Der Futterstoff ist eine Popeline aus Bio-Baumwolle, "Firecracker" von Monaluna, die ich 2021 bei einem kleinen Näh-Wettbewerb gewonnen habe. Der Shop, der den Stoff zu Werbezwecken gesponsert hat, existiert allerdings nicht mehr ... na ja, trotzdem danke? Eigentlich sind mir helle Futterstoffe lieber, weil man sein Zeug besser in der Tasche wiederfindet, aber geschenkter Gaul und so.

Die veränderte Blende und das Innenfutter. Mit Blick auf das Teilungsfach mit Reißverschluss.

Auf die Anleitung war ich ja sehr gespannt, nachdem ich sonst meist nach den extrem guten Hansedelli-Schnittmustern nähe. Und ich wurde etwas enttäuscht.

Was ich direkt vermisst habe, ist die sehr konkrete Auflistung aller Teile mit Foto, an welcher Stelle sie an der Tasche sitzen - das erleichtert es nämlich sehr, beim Zuschnitt verschiedene Stoffe zu kombinieren.
Ich hab auch prompt ein Teil falsch zugeschnitten, weil das ungewöhnlicherweise oben statt seitlich einen Stoffbruch eingezeichnet hatte. Die Position der Träger soll man ausmessen, das hätte man auch gleich in den Schnitt einzeichnen können.
Außerdem gab es mehrere kleinere Fehler: Z.B. steht auf einem Schnittteil, man solle es (als einziges) mit Vlieseline H180 verstärken. In der Anleitung dagegen steht es wie die anderen bei der Liste für H200. Und auf einem Schnittteil habe ich einen Lorem ipsum-Text gefunden. Wofür haben die Hersteller eigentlich zig Probenäher, wenn die dann solche Dinge übersehen?
Auch inhaltlich fand ich einige Stellen unklar oder irreführend, die Bilder waren auch nicht immer die beste Wahl für den entsprechenden Schritt. 

Hier nochmal liegend und ohne "Verzerrung" durch die Aufhängung am Tragegriff ;)

Ich habe einige kleinere Änderungen gemacht (ein Reißverschluss-Innenfach hinzugefügt und die Taschengriffe in der Oberkante mitgefasst statt sie aufzusetzen) und eine große: Der Reißverschlussteil ist eigentlich halb offen, d.h. die Reißverschlussblenden reichen nicht bis zu den Seitenteilen. Daher ist das Reißverschlussende überstehend angenäht und mit einem Endstück versehen. Das finde ich sowohl optisch als auch von der Benutzung her unschön und vermeide es, wo immer es geht.

Stattdessen habe ich die Blenden verlängert und den Reißverschlussteil ähnlich angenäht wie den Boden - an den beiden Enden des Reißverschlusses ein Endstück aus Oberstoff und Futter angesetzt (wie bei der hinteren Tasche), auf gleiche Weise die Blenden angenäht und in den Beleg eingesetzt.
Wichtig dabei: Um Oberstoff und Futter jeweils einzeln annähen zu können, muss dafür beim Annähen der Blenden 1 cm (für die Nahtzugabe) lose bleiben, d.h. man beginnt und beendet die Naht mit 1 cm Abstand zur Stoffkante.

Auf diesem Bild kann man die 1 cm langen losen Enden erkennen, sie stehen ein bisschen hoch. Äh, ignoriert bitte, dass der untere Teil länger ist, da hab ich mich vermessen - eigentlich müsste alles auf einer Linie mit den kürzeren Blendenteilen oben sein.

Blendenmurks beim Zuschnitt.

An sich ist das Ganze gar nicht so schwierig, aber ich habe es mir extra kompliziert gemacht, weil ich spontan das falsche Schnittteil zum Vergleich gegriffen habe (das passiert, wenn ich spätabends noch nähen will) und meine Blende zu lang war. Natürlich war alles schon schön abgesteppt, also erstmal jede Menge Trennen ...

Wichtig: Dann zuerst den Oberstoff annähen, danach erst die Futtertasche. Denn sobald eine der beiden Taschenhälften angenäht ist, wird an den kurzen Kanten des Reißverschlusses sehr schwierig, den Übergang sauber hinzukriegen, besonders bei einem dicken oder versteiften Oberstoff. Da das nur kurze Stücke sind, kann man die aber auch gut nach dem Wenden per Hand annähen, das ist deutlich einfacher (dafür die Futtertasche nach außen drehen, dann kommt man sehr gut ran).


So sieht die Blende geschlossen aus.

Im Nachhinein bin ich aber nicht soo zufrieden mit meiner Entscheidung, die Blende zu verändern:

  • Pro: Es regnet nicht rein (weil die Blende bis zur Kante reicht, ohne Lücke) und man hat kein optisch unschönes überstehendes Reißverschlussende.
  • Contra: Man kann die Tasche weniger weit öffnen. Und das nervt mich jetzt doch öfter.

Und ein bisschen mehr Weite an der Öffnung wäre eigentlich nicht schlecht gewesen ...
Memo an mich: Durchgehende Blenden sind eher für Taschen im Querformat geeignet; beim Hochformat lieber bei der "lückenhaften" Blende bleiben!

Der abgesteppte Boden.

An sich nutze ich die Tasche aber trotzdem gerne. Nur das Reißverschluss-Trennfach in der Mitte habe ich noch nie genutzt, das hätte ich mir sparen können (gibt der Teilung immerhin Stabilität!). Die Teilung ist gut, aber das Fach ist sehr schmal und tief, da kann man wenig drin verstauen. Wobei, vielleicht kaufe ich unterwegs doch mal ne Zeitschrift, dafür wäre das perfekt ...

Hier sieht man das Teilungs-Trennfach etwas besser.
 

Schnitt: Tasche Anik von Frau Fadenschein
Material: grauer Canvas (über Die Stofftanten), Circle-Canvas (über Königreich der Stoffe), Popeline "Firecracker" von Monaluna, Reißverschluss und D-Ringe von Bändershop.com (via Stoffmarkt), weiches Baumwollgurtband in 3 cm Breite
Änderungen: Reißverschluss-Innenfach eingefügt, Magnetverschlüsse statt Riemen, oberen Reißverschluss geschlossen statt offen eingenäht, mitgefasste statt aufgesetzte Taschengriffe: 34 cm Länge, 4 cm überstehend angenäht, cm von den Seitennähten entfernt
Nachnähpotential: Theoretisch ja; praktisch habe ich so viele Taschenschnittmuster, dass ich eigentlich keinen zweimal nähe.

Verlinkt bei DvD und der Taschenlinkparty.

Lg
Nria

1 Kommentar:

  1. Servus Nria,
    mir gefällt deine Tasche wirklich sehr gut und ich freue mich, dass du sie beim DvD zeigst! Danke dafür und liebe Grüße
    11i

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