Dienstag, 28. Januar 2025

Folienmode für den Mann - Jacke 139 aus der Burda Style 02/2016

Es geschehen noch Zeichen und Wunder - ich habe mal wieder was aus einer Zeitschrift genäht! Das tue ich nicht mehr oft, weil ich für mich so viel anpassen muss und es mit Cupgrößen-Schnittmustern einfach schneller geht. 

Diesmal brauchte ich aber den Schnitt für eine Herrenjacke und wollte nicht extra einen kaufen, weil das Teil sowieso nur für ein Kostüm gedacht war. Also habe ich im Fundus gestöbert und in unserer noch jungfräulichen Burda Style-Ausgabe 02/2016 einen Schnitt gefunden, der den Vorstellungen meines Mannes entsprach. Hier könnt ihr ihn genauer sehen; bei der Folienjacke erkennt man ja nicht so viel.

Wie die Vorstellung an sich aussah? Möglichst schräg. Wir waren wieder auf einem SciFi-Con und mein Mann wollte ein verrücktes Outfit mit Netzoberteil, schillernder Leo-Weste, Flamingohut und dazu eine irisierende, transparente Folienjacke. Meine Güte, im Jahr 2082 geht's richtig ab mit der Mode!
 

Jedenfalls sind gekaufte Folienjacken sauteuer, deshalb musste ich wieder ran. Die Materialbeschaffung war schwierig; letzten Endes haben wir die Folie rollenweise bestellt: 4 Rollen mit je 35x135 cm Fläche. 
Ich habe schon die schicke Passe des Schnitts wegrationalisiert, trotzdem war es richtig, richtig knapp beim Zuschnitt! 
Immerhin braucht man keine Saumzugaben (ich habe das Teil mit Schrägband eingefasst, weil Bügeln hier unmöglich ist und ungebügelte Säume meist unfertig aussehen, besonders bei so widerspenstigem Material). 
 

Mein Mann wollte lieber einen richtigen Kragen statt des Stehkragens und das war hier wirklich kein Problem, weil es die Jacke noch in einer längeren Variante mit anderen Taschen und dem gewünschten Kragen gibt. D.h. keine Änderung notwendig!
Was dagegen etwas aufwändig war: Der Schnitt geht nur bis Gr. 54, ich brauchte aber 58. Mittlerweile bin ich recht versiert im Gradieren von Schnittmustern: Man muss den Abstand zwischen den letzten beiden Größen ausmessen und pro gradierter Größe diesen Abstand außen hinzufügen. Achtung, der Abstand ist rings um den Schnitt überall unterschiedlich! Schließlich "wachsen" beim Zunehmen die Schultern nicht im gleichen Maße wie der Bauch. Mehr als 1-2 Größen sind dabei knifflig, weil mit steigendem Körperumfang die Abstände zwischen den Kleidergrößen größer werden, d.h. irgendwann wird es Raterei. 
Dann habe ich noch ein Full Tummy Adjustment gemacht. Dabei wird der Schnitt aufgeschnitten und gespreizt, ein bisschen wie beim Full Bust Adjustment. Solche Änderungen sehen oft auf den ersten Blick kompliziert aus, aber wenn man das Prinzip verstanden hat, ist es einfach.
 
Kniffliger war die Verarbeitung: Folie ist echt kein dankbares Material. Die Nahtzugaben lassen sich nicht flachbügeln, also war Absteppen angesagt. Ist bei Stellen wie der Ärmelinnennaht unmöglich, aber da habe ich eine andere Lösung gefunden - siehe unten.


Das Nähen ging so mittel. Mit Oberstofftransport viel besser, ich musste das Rollen- oder das Teflonfüßchen nicht auspacken. Aber weil die Folie relativ starr ist, blieb sie ständig an der Nähmaschine oder anderen Gegenständen hängen, deshalb sind die Absteppnähte z.T. super wacklig, weil mir ständig das Nähgut weggerutscht ist. Das war etwas nervig, aber an sich habe ich Schlimmeres befürchtet.

Ein paar Kompromisse muss man bei dem Material machen. Ans Verstürzen habe ich nicht mal einen Gedanken verschwendet, sondern den Kragen direkt einlagig gehalten und wie den Rest mit Schrägband eingefasst. Da hatte ich noch ein uraltes ungefalztes rumliegen, das allerdings recht schmal war. Deshalb habe ich die zweite Naht von innen genäht - und prompt hat die Nähmaschine dabei Schlaufen beim Unterfaden gezogen. Arrgh! Ich hatte aber keine Zeit, das Ganze neu zu machen, deshalb muss die Welt jetzt damit leben.
 

Ein Trick für bequemeres Tragen: Innen am Ärmel habe ich einen Streifen Jersey eingesetzt. So kann man sich in der steifen Jacke besser bewegen, die innere Ärmelnaht piekt nicht und es ist noch ein bisschen atmungsaktiver.

Was ein bisschen blöd war: Aus Gewohnheit habe ich an den Ärmeln die Passzeichen durch kleine Knipse markiert - wenn ihr auch was aus Folie nähen wollt: Macht das nicht! Mir sind die Stellen prompt eingerissen. Ich hätte besser kleine unauffällige Punkte mit einem Folienschreiber setzen sollen. 
 

Vor dem Ärmeleinsetzen hat es mir gegraut - das ist bei solchen starren Materialien echt schwierig! Vor allem ist es hier völlig unmöglich, die Zusatzweite der Armkugel einzuhalten. Ich hatte gehofft, dass sich durch das nachträgliche Verschmälern der Schultern die Mehrweite etwas verringert, aber es war trotzdem nicht möglich, den Ärmel komplett einzusetzen. Letzten Endes habe ich dann nur die obere Hälfte der Armkugel angenäht und die untere Hälfte offen gelassen - fällt tatsächlich nicht groß auf beim Tragen und als Bonus gibt es eine Belüftung unter der Achsel. Das ist bei dem Material ja auch nicht schlecht ...


Die Jacke kam wirklich gut an auf dem Con! Kleines Manko: Das Material ist nicht sehr haltbar; es ist an einigen Stellen eingerissen (besonders hinten am Armausschnitt, wo halt Zug drauf ist, wenn man die Arme noch vorne streckt).
Aber es war ja auch nur für ein Einmal-Kostüm gedacht - und ggf. kann man die Stellen mit transparentem Klebeband reparieren und nochmal zu Karneval ausführen. Halbwegs wasserfest (außer an den Nähten) ist sie ja schonmal!

Schnitt: Herrenjacke 139 aus der Burda Style 02/2016, Gr. 58 (vergrößert von 54) mit dem Kragen von Mod. 137
Material: Vinylfolie
Änderungen: Schultern um 2 cm verschmälert, Ärmel um 4 cm gekürzt, Full Tummy Adjustment, Details wie Passen, Ärmelschlitz und Taschen weggelassen, Jerseystreifen in den Ärmel eingesetzt
Nachnähpotential: Der Schnitt an sich ja. Das Material? Ähhh ... lieber nicht.
 
Verlinkt bei DvD und MagicCrafts.
 
Lg
Nria

3 Kommentare:

  1. Das hast du echt toll hin bekommen und auch beschrieben aber trotzdem könnte ich es nicht nachnähen. Eine Folie habe ich noch nie genäht. Super cooles Kostümteil. Mega.
    LG aus Wien

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  2. Huhu
    Was für ein cooles Teil!!
    Das hast du super gemacht.
    Nach deiner Bearbeitungsbeschreibung wäre ich da bestimmt durchgedreht und hätte alles in die Ecke geworfen. Hut ab für dein Durchhaltevermögen!!
    LG aus Unterfranken

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  3. Oh mein Goooott, die Jacke würde ich ohne viel nachzudenken sofort anziehen, ich bin begeistert! Danke fürs Zeigen beim DvD und liebe Grüße!
    ELFi

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