Ende 2018 habe ich günstig zwei Papierschnittmuster von
by Annie für Reise-Organizer gekauft. Gedacht sind sie für den Transport von Kosmetik, aber ich hatte mehr eine Reiseaufbewahrung meiner Ladekabel im Sinn: Ladekabel für Laptop, Handy und Kamera, Maus, Kartenlesegerät (bei meinem aktuellen Laptop nicht mehr nötig, aber wer weiß), USB-Sticks, mobile Festplatte samt Kabel ... irgendwo muss das ganze Zeug halt hin und wenn ich alles in eine Tasche stopfe, verbringe ich unterwegs die halbe Zeit mit Suchen.
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Mit Schokofrosch. |
Wie die Tasche mit Inhalt aussieht und ob alles reingepasst hat, seht ihr ganz unten :)
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Die Innenansicht. Mit doofem Knick in der unteren Tasche. |
Anfang April war bei der englischen Plattform bluprint der Zugriff auf alle Kurse kostenlos - die ist ähnlich wie Makerist ; es gibt Schnittmuster, Material und Videokurse und letztere waren gratis (bis auf die, bei denen ein Schnittmuster im Kurs inkludiert ist). Aber neben einem Kurs zum BH-Nähen und einem über Quilteinfassung habe ich zu meiner Freude einen Videokurs für genau den Organizer entdeckt, den ich nähen wollte - "Travel Essentials". Ein Glück! Die Anleitung empfand ich nämlich eher als unübersichtlich.
Leider enthält das Schnittmuster kein Schnittmuster. Sondern die Maße für lauter Rechtecke, die man zuschneiden soll. Und natürlich alles in Inch. Hmpf!
Zuerst habe ich mir also die Liste kopiert (ich schreibe nicht gern auf Schnittmuster, weil ich die nicht alle behalte), eine Internetseite mit Inch-Zentimeter-Tabelle geöffnet und erstmal alles umgerechnet.
Der Haken am Video ist: Es ist für zwei Taschen und meine ist die zweite. Dafür werden einige Techniken aus dem Teil für die erste Tasche vorausgesetzt, also musste ich doch beide anschauen ...
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Außen sind einige Stepplinien sichtbar. |
Bei so einer Tasche wäre es wirklich hilfreich gewesen, das Ganze auf Deutsch vor sich zu haben. Ein kleiner Teil der
by Annie-Schnittmuster ist sogar auf Deutsch übersetzt, vielleicht folgt dieser hier auch irgendwann. Bis dahin muss ich halt so klarkommen.
Man merkt sehr deutlich, dass die Designerin ursprünglich Patchworkerin ist: Sie verwendet selbstgequiltetes, wattiertes Material (für alle ihre Taschen) und das ganze Teil wird nicht verstürzt, sondern außen mit Schrägband eingefasst. Das ist mir ja eigentlich nicht so lieb, aber für dieses Projekt nehme ich das mal in Kauf.
Ich habe nicht gequiltet (das mache ich selbst bei meinen Patchworkprojekten nie!), sondern einen fertig gesteppten Taschenstoff verwendet. Der hatte allerdings keine schöne Unterseite, sondern die Rückseite bestand nur aus Vlies, daher habe ich ein Stück Baumwollpopeline draufgelegt und das Ganze wie eine Lage verarbeitet.
Ein Manko beim Schnitt: Wie schon gesagt gibt es kein Schnittmuster, nur Maße. Dabei soll man die Ecken selbst abrunden, mit einer Garnrolle als Vorlage. Nirgendwo steht, wie groß diese Garnrolle ist (im Video sieht sie völlig anders aus als deutsche) - aus dem Video kann man die Größe noch ungefähr erahnen, aber in der Anleitung wäre man völlig aufgeschmissen, wo groß diese Rundung sein muss. Bei den Außenecken ist es noch egal, man nimmt sowieso mehr Schrägband, als man braucht. Aber die aufgesetzte Tasche muss von der Länge her ja an die Rundung passen!
Ich hab mal beherzt zu einem Glas gegriffen und gehofft, dass es von den Maßen so halbwegs passt ...
Eigentlich sind gequiltete Stoffe mit der "Soft and Stable"-Einlage vorgesehen, die die Designerin selbst entwickelt hat und verkauft (das deutsche
Stylevil soll ähnlich sein). Hatte ich natürlich nicht da. Stattdessen lag ein halber Meter schwarzer Taschensteppstoff namens "Moskau" im Schrank, den ich mal aus Lust und Laune irgendwo mitbestellt hatte.
Das Praktische daran: Er ist schon wattiert und abgesteppt.
Der Haken daran: Er hat eine Vliesrückseite. Es musste also ein Futter her, und ich habe mich für den petrolfarbenen Sternenhimmel-Patchworkstoff entschieden, der schon das
Dumbledore mit Deluminator-Kissen ziert. Ich hatte nämlich echt viel davon gekauft!
Beim Nähen bin ich immer wieder über die Inch-Angaben gestolpert: Das Hauptteil habe ich erst zu groß zugeschnitten (kein Problem), beim Mesh habe ich schlicht zu knapp geschnitten oder das Netz war zusammengeschoben; jedenfalls entdeckte ich erst nach dem Fertigstellen mit Reißverschluss, dass der Netzstoff ca. 1,8 cm zu schmal war. DAS war ein Problem! Ich habe dann schlicht alle Teile einen Zentimeter schmaler geschnitten; da fehlen dann zwar immer noch ein paar Millimeter pro Seite, aber das verschwindet unter der Einfassung.
Also: Den Netzstoff sollte man lieber etwas zu breit als zu schmal schneiden!
Noch ein Problem: Habt ihr schonmal versucht, Netzstoff/Mesh zu nähen? Das Zeug dehnt sich fürchterlich beim Nähen! Feststecken ist bei einem sehr schmalen Netz nicht möglich und auch Stoffklammern kann man nicht dicht an dicht stecken.
Ich habe beim ersten Versuch tapfer weitergenäht, aber es half nichts. Das Ergebnis sah so aus:
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Arrrgh. |
Schimpfend habe ich alles wieder aufgetrennt, eine Weile überlegt und dann zu meinem bewährten aufbügelbaren Vlieseline-Nahtband gegriffen: Wenn man die Kanten damit einfasst (ein "Sandwich" mit Nahtband außen und Netzstoff innen wäre auch möglich) und beim Aufbügeln peinlich genau darauf achtet, dass alles ganz gerade liegt, ist das Netz an der Kante in der richtigen Position festgeklebt und kann sich nicht mehr verziehen.
Hat auch tatsächlich recht gut funktioniert!
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Trick 17 hat funktioniert! |
Der Rest war tatsächlich gar nicht so schwierig. Etwas fummelig war das Füttern der aufgesetzten Tasche (weil ich ja keinen zweiseitigen Stoff hatte und außerdem nicht wollte, dass das Reißverschlussband innen sichtbar ist), aber ich habe ähnliche Dinge schon so oft genäht, dass das an sich kein Problem war.
Was mich bei der Tasche ärgert: Seht ihr beim ersten Bild in diesem Beitrag bei der großen Tasche den waagerechten Knick in der Mitte? Der war im Stoff drin, vom Transport. Ich hab noch überlegt, ob ich die Tasche weiter unten zuschneide und etwas Stoff verschwende, habe mich dann aber dagegen entschieden. Ich hätt's machen sollen ...
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Aber schön gefüttert. Und, na ja, mäßig schön abgesteppt. War nicht so einfach mit dem dicken Stoff. |
Den Aufbau habe ich etwas verändert: Vorgesehen sind eine Mesh-Tasche (die ganz oben), zwei kleinere Vinyl-Taschen in der Mitte und die aufgesetzt Tasche ganz unten. Vinyl hatte ich nicht da und auch nur 3 schwarze Reißverschlüsse, deshalb habe ich die beiden Vinyltasche durch eine zweite große Mesh-Tasche ersetzt.
Fürs Schrägband habe ich
diese Anleitung verwendet. Dann habe ich zum ersten Mal meinen Rollschneider benutzt, um es auf eine gleichmäßige Breite zu schneiden, das hat nämlich nicht so gut funktioniert mit der Schere. Leider wurde es dadurch etwas schmaler und ich habe nach dem Annähen des Schrägbands die Nahtzugaben ringsrum schmaler geschnitten (das wurde nicht so gleichmäßig wie erhofft, weil viele dicke Schichten und viel Kraft notwendig, deshalb ist die Einfassung jetzt nicht überall "gefüllt, aber nun ja, man lernt ja immer dazu).
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Passt alles rein! Nur die mobile Festplatte hab ich vergessen. |
Passenderweise hatte ich gerade erst einen Kurs zur Einfassung von
Quilts angeschaut (von Susan Cleveland), das kam mir dabei ebenfalls
zugute. Annie Unreins Methode, die Enden der Einfassung zu verbinden,
finde ich nämlich superkompliziert; die von Susan Cleveland dagegen
einfach und griffig.
Das Gurtband ist aus Baumwolle und ich mag es gerne, weil es nicht so glänzt wie Polyestergurtband.
Zum Schluss fehlte mir noch etwas - also habe ich an die Stepplinie vorne einen großen Kettenfrosch-Anhänger genäht. Der gehörte zu einer Kette, die ich mal bei Tauschticket ergattert habe und ist offenbar aus der Überraschungsbox "Geek Gear". Wäre mir als Kette ja viel zu groß und schwer, aber als Aufnähobjekt macht er sich super!
Weil er messingfarben ist, passt er natürlich nicht optimal zu den chromfarbenen D-Ringen und Karabiner, aber meine Alternative wäre ein Star Trek-Anhänger in mattem, bläulichem Silber gewesen und der hat noch weniger gepasst. Außerdem mochte ich den Frosch.
Mein Fazit:
Die Tasche gefällt mir und sie erfüllt ihren Zweck. Die Herstellung hat so mittelviel Spaß gemacht - das Nähen an sich war kein großes Problem, aber der Zuschnitt war sehr mühsam und hat ewig gedauert durch die Inch-Angaben. Ich rate von diesem Schnitt ab, wenn man kein Sortiment Inch-Lineale besitzt! Die Anleitung fand ich auch eher mäßig gut, der Videokurs war da recht hilfreich (auch wenn ich ihn als etwas unstrukturiert empfand).
Eigentlich macht der "Papierschnitt" auch gar keinen Sinn, weil ja gar kein Schnitt enthalten ist (sondern nur Zuschnittangaben für Teile, die man dann selbst anpassen soll). Hätte ich das gewusst, hätte ich den Schnitt definitiv nicht gekauft.
Grundsätzlich hat man als Patchworker vermutlich mehr Spaß an dem Projekt.
Schnittmuster: "Stash and Dash" von by Annie
Material: Taschensteppstoff "Moskau", Mesh, Baumwollpopeline, Baumwollgurtband, Anhänger von Geek Gear
Änderungen: Um 1 cm verschmälert, aufgesetzte Tasche gefüttert
Videokurs: "Sew Sturdy: Travel Organizers" von Annie Unrein auf bluprint.com
Nachnähpotential: Mal sehen. Die Anleitung hat mich nicht vom Hocker gerissen, aber jetzt weiß ich ja, wie's geht.
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