Vor einige Jahren habe ich bei C&A ein
petrolfarbenes Kleid aus Romanitjersey gekauft, weil mir der Schnitt so gut gefiel: Betonte Taille, ausgestellter Rock, V-Ausschnitt
hinten, überschnittene Schultern mit Reißverschlüssen als Akzent.
Sieht schick aus, passt super und ich habe es bisher nur ganz selten getragen.
Das hat einen Grund:
Schnitt und Material passen nicht zusammen. Es ist recht kurz und ärmellos, aber für den Hochsommer ist der Stoff zu warm und für kühlere Tage ist zuwenig Stoff dran.
Wegen des tiefen Ausschnitts kann ich kein Shirt drunterziehen (wirft Falten und sieht blöd aus), wegen der überschnittenen Schultern und der Reißverschlüsse darauf kann ich kein Jäckchen drüberziehen.
Da mir das Kleid aber optisch sehr gefällt, wollte ich es nicht aussortieren. Und so hing es in meinem Schrank und wartete auf eine Upcycling-Idee.
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Vom Sommerkleid zum Winterkleid! |
Und die kam mir neulich beim Stoffkaufen. Überlegungen zu einem passenden
Kombistoff hatte ich schon eine Weile vorher angestellt und seitdem Ausschau gehalten: Zu diesem speziellen grünen Petrolton gefallen mir nur wenige Farben, Schwarz ist mir zu trist und Weiß zu grell, also ist Grau perfekt. Der Stoff braucht aber eine gewisse Stärke, weil dünner Jersey an festem Romanit nur rumwabbeln würde, und ein schönes Muster oder eine Struktur wäre auch toll, weil das Kleid ja sonst recht schlicht ist.
Als ich gerade einen hübschen reduzierten Musterstoff in den Warenkorb legte und im Shop stöberte, ob es sonst noch schöne Stoffe gibt (die Versandkosten sollen sich ja auch lohnen!), stieß ich auf einen etwas festeren
grauen Strickstoff (nicht wie ein Pullover gestrickt, eher wie Sweat) mit tollem
Zopfmuster. Wurde sofort eingepackt!
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Das Oberteil passt gut zum Kleid und zur Plätzchendose. |
So weit, so gut. Dann brauchte ich einen Plan!
Was ich berücksichtigen musste:
- So schön ich die überschnittenen Schultern finde: Die müssen weichen. Die einzige Möglichkeit, die zu erhalten, wäre, per Hand Ärmel und Krageneinsatz im Lagenlook einzusetzen, das gefällt mir aber nicht.
- Der Reißverschluss im Rückenteil endet im tiefen V-Ausschnitt - zu tief für ein Herbstkleid, das wird kalt im Nacken. Ich habe aber keine Lust, den Reißverschluss rauszutrennen und neu einzusetzen (der ist auch noch halbseitig verdeckt! Das wäre doch
Arbeit!). Lösung: Ich mache einen zweigeteilten Krageneinsatz, der in der Mitte einen schmalen Schlitz hat und oben mit einem Verschluss (wahrscheinlich KamSnap) geschlossen wird. Kann man dann gut anziehen und der RV bleibt, wo er ist.
- Ich muss das untere Ende des Armlochs ein wenig nach oben versetzen - ärmellose Kleider haben i.d.R. einen größeren Armausschnitt als welche mit Ärmeln. Ich möchte aber ungern vorne eine gerade Quernaht auf Brusthöhe haben und auch möglichst viel von der Wiener Naht erhalten (außerdem sitzt das Reißverschlussende des Rückenteils deutlich höher als das Armloch), also versuche ich es mal mit einem geschwungenen Einsatz.
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Seitenansicht. Man sieht: Hinten reicht der Einsatz höher als vorne. |
In der
burda Easy Fashion Herbst/Winter 2014 habe ich einen Schnitt für ein
Mini-Sweatshirt entdeckt - es ist geformt wie ein geschlossener Bolero, also enthält nur die Ärmel- und Schulterpartie eines Sweatshirts. Außerdem war es vorne geschwungen. Habe ich gleich zweckentfremdet, man muss ja nicht
alles selbermachen.
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Vorne: Eng am Burda-Schnitt orientiert. |
Die Rundung auf der Rückseite habe ich ohne Schnittmuster gezeichnet, denn ich brauchte ja eine Kurve mit genau der richtigen Höhe für den Reißverschluss.
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Hinten: Freihand gezeichnet, geschwungener und genau ans Kleid angepasst. |
Dann war ein bisschen Mut vonnöten fürs Abschneiden der Kleidoberseite (ich wollte das Kleid ja nicht versauen ...).
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Was hier so simpel aussieht, hat Überwindung gekostet! |
Dafür habe ich den Schnitt aufs Kleid gelegt und ein bisschen höher geschoben (für die Nahtzugabe). Dann frei Schnauze eine schöne Kurve aufgemalt und todesmutiv abgeschnitten. An den unteren Enden der Armlöcher habe ich noch den Beleg abgetrennt, um die Nahtzugabe nutzen zu können; an genau der Stelle wollte ich nämlich den Einsatz annähen, um das originale Armloch zu verkleinern.
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Hier sollte natürlich VORHER-NACHHER stehen! Rückseite: Geschwungene Naht, um das RV-Ende auszugleichen. |
Und dann kam die Stunde der Wahrheit:
Einsatz annähen. Ich kam, nähte und probierte an und war sofort begeistert! Noch schnell Ärmel einsetzen und fertignähen ...
Ganz so einfach wars dann doch nicht. Die Ärmel gingen tatsächlich problemlos, aber der Einsatz ist ein bisschen eng, sobald die Ärmel drin waren. Ich habe die Dehnbarkeit des Jacquards etwas überschätzt. Geht aber noch. Nur der Schlitz hinten steht etwas weiter auf als geplant.
Für die Einfassung des Einsatzes hatte ich mal wieder keinen wirklich passenden Stoff. Umklappen wäre unschön gewesen, also kam
Jersey-Schrägband zum Einsatz (in Dunkelgrau, weils keine passendere Farbe gab). Das kaufe ich immer fertig, weil ich dessen Herstellung und Verarbeitung nervig finde und mir wenigstens einen Teil der Arbeit ersparen will.
Ich habe das Schrägband an den Ausschnitt genäht und dabei zwei lange Stücke für eine Schleife überstehen lassen - eine elastische Schleife ist der ideale Verschluss für einen Schlitz, der bei Bewegung deutlich weiter aufklafft als beim Rumstehen.
Die Schrägbandnaht genügt eigentlich nicht meinen Ansprüchen, das müsste gleichmäßiger sein. Aber ich lass das jetzt so - sagte ich schon, dass ich Jerseyschrägband nervig finde?
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Ich bin eigentlich kein Schleifenfreund, aber hier wars die ideale Lösung. |
Und das Fazit? Ich liebe den neuen Look! Es wirkt ganz anders als vorher und ist jetzt herbsttauglich. Der einzige Haken: Die Innenseite des Zopfstoffs trägt sich nur mäßig angenehm (ich hätte besser einen dieser gesteppten Jersey- oder Sweatstoffe nehmen sollen), aber die Optik macht das wett.
Ich hoffe, jetzt kommt das Kleid häufiger zum Einsatz!
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Neues Winterkleid: Super! |
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Nria