Während ich mich fürs Deel (die mongolische "Jacke") ewig mit der Ärmelpassform rumgequält habe, hatte ich irgendwann die Nase voll und wollte erstmal wieder etwas nähen, bei dem ich danach ein tragbares Ergebnis habe.
Also habe ich mich erstmal der Tunika (zum Drunterziehen) gewidmet. Und dabei endlich mal ein Problem gelöst, was mich schon seit Jahren beschäftigt!
Die beiden Leinenstoffe sind aus einem Reste-Stoffpaket von der Leinenboutique. Stoffpakete finde ich immer unheimlich inspirierend: Für diese Tunika hatte ich eigentlich kein Muster geplant, aber der fast unifarbene Stoff mit ganz feinem Fischgrät-/Zackenmuster hat auf dem Produktbild so unheimlich gut mit dem Karostoff harmoniert, dass ich mich drauf eingelassen habe. Zum Glück, denn auch live finde ich die Kombination großartig.
Weil die Tunika figurnah sitzen sollte, habe ich meinen 14. Jahrhundert-Grundschnitt (genauer gesagt, den Schnitt vom etwas weiteren Unterkleid, nicht vom engeren geschnürten Überkleid) als Grundlage genommen. Den Torso habe ich nur gekürzt, die Seiten weniger ausgestellt zugeschnitten und den Ausschnitt verkleinert: Ich wollte einen Ausschnitt mit Schlitz, da wird ja weniger Ausschnittweite benötigt.
Der Originalschnitt hat vorn und hinten eine Naht, ich habe stattdessen im Bruch zugeschnitten und im mittleren Rücken und über der Brust Abnäher eingearbeitet. Dabei habe ich sogar auf den Musterverlauf geachtet (ich nähe sonst nie Karostoffe, aus gutem Grund).
Wo das Muster nicht beachtet ist: An den Seitennähten. Ich habe bei der Übernahme des Schnitts nämlich nicht bemerkt, dass der hintere Armausschnitt tiefer liegt als der vordere. Hoppla.
Da ich einen Bogenschützen-Armschutz tragen werde und nicht möchte, dass der Ärmel darunter drückende Falten wirft, habe ich den Ärmel am Unterarm von "schmal" zu "sehr eng" verschmälert.
Seit jeher sind Ärmel bei historischen Kostümen ein Dilemma für mich. Das mittelalterliche Ärmel-Ideal war "hauteng", aber es ist mir buchstäblich verhasst, Ärmel nicht ohne Weiteres hochschieben zu können. Wenn mir zwischendurch zu warm ist oder ich die Hände wasche - ich mag nicht erst umständlich Knöpfe lösen, Schnürungen lockern, irgendwo rumfummeln müssen, Ärmel müssen für mich rauf- und wieder runterzuschieben sein, gerade nach Bedarf. So. Was ist jetzt mit den engen Ärmeln dieses Kostüms?
|
Maschinen-Ösenstich. Der Ärmelsaum ist mit der linken Stoffseite nach außen angenäht.
|
Erstmal habe ich einen Schlitz mit Untertritt eingearbeitet, und bei der Gelegenheit den Ösen-Stich meiner Nähmaschine ausprobiert. Mit maximal 7 mm Durchmesser ist der zwar nicht geeignet für Schnürungen/Nesteln, bei denen die Schnur regelmäßig aus- und wieder eingefädelt werden muss, aber für dauerhafte Schnürungen, die höchstens mal gelockert werden, perfekt!
Ich hatte nämlich die Idee, eine Schnürung mit dünner
Gummikordel einzusetzen. Theoretisch könnte man damit richtig enge Ärmel nähen, die schnüren, und ohne die Schnürung zu lockern den Ärmel dennoch einfach hochschieben. Und - funktioniert's?
Ja! Ich bin begeistert. Auf dem Foto sieht man, wie sehr das Gummi nachgibt; ohne die Gummischnürung könnte ich die Ärmel höchstens 3-4 cm hochschieben.
Von dieser Ärmel-Machart werde ich wohl noch mehr Varianten testen, ggfs. gibt eine Kreuzschnürung noch mehr Weite, für historischere Kostüme geht es vielleicht noch verdeckter/unsichtbar.
|
Ausschnitt-Besatz vorm Verstürzen
|
Neben der besseren Passform hat der Abnäher über der Brust einen weiteren Vorteil: Ein Schlitz-Ende am Ende einer Naht ist immer besser zu verarbeiten als ein Schlitz in die Stoffmitte.
Beim Halsausschnitt habe ich mich für eine denkbar einfache und maximal saubere Verarbeitung entschieden: Die Außenkanten des Besatzes habe ich verstürzt, gewendet und gebügelt, dann wie einen umgekehrten Beleg innen angenäht, nach außen geklappt und knappkantig festgesteppt. So schön sind meine Halsausschnitte selten!
Mit der Tunika bin ich schonmal vollkommen zufrieden. Weiter geht's mit dem Kostümprojekt dann erstmal mit der Hose.
Bisherige Blogposts:
WIP Teil 1: Konzept und Material
WIP Teil 2: Planung und Oberteil-Entwürfe
WIP Teil 3: Schnitterstellung und Probeteile