Ich habe wieder bei der Schrankleichenchallenge mitgemacht! Dabei schickt man einem Tauschpartner einen alten Stoff aus dem Schrank, den man nicht mehr will, und bekommt einen anderen dafür zugeschickt. Es muss mindestens ein Meter sein und bestimmte Stoffarten sind ausgeschlossen (z.B. Gardinen, Futterstoff oder Badelycra).
Man kann dabei richtig Glück haben - one man's junk is another man's treasure. Trotzdem sind fast immer ausgesuchte Scheußlichkeiten und nur wenige Schätze dabei (das Lustige ist, dass irgendwer die Stoffe ja mal gekauft hat und offenbar schön fand ...). Es ist interessant zu sehen, wie Leute sich über Muster freuen, mit denen ich nicht tot überm Zaun hängen wollte, und andere Sachen schrecklich finden, die ich total gern tragen würde!
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Ok, die Farbe hat etwas leicht Kittelschürziges, aber ansonsten?
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Bisher hatte ich mäßig viel Glück: Komplette Katastrophen waren nicht dabei, aber weder der neongestreifte Rippjersey (ich habe einen
kurzärmeligen Cardigan draus gemacht) noch der beige Möbelstoff (wurde eine
Probe-Bikerjacke) haben den Weg in meinen Schrank gefunden. Diesmal bin ich aber ganz optimistisch!
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Glaubt mir, das war einer der besten Stoff der Challenge!
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Diesmal gab es für mich knappe 2 m von einem rauchblauen Pikeejersey mit echt niedlichem Muster. Seht euch diese putzigen Vögelchen an! Blau ist ja meine Farbe (auch wenn dieser Ton eigentlich zu blass für mich ist), Pikee liebe ich und das Muster ist dezent genug, um nicht zuu kindlich zu sein.
Und ich bin ja echt froh, wenn ich weder Leo noch Blumenmuster noch superflutschige Stretchtüllstoffe bekomme ...
Die Challenge nutze ich gerne, um neue Schnittmuster zu testen - notfalls wäre es ja um die Stoffe nicht schade. Diesmal wurde es ein Kleid statt einer Jacke.
Um die Schnittmuster von Itch to Stitch schleiche ich schon länger rum. Sie sind meist sehr schön geformt und haben originelle Details, obwohl sie sehr alltagstauglich sind. Es sind Cupgrößen bis E (hier DD) enthalten, was mich besonders anspricht - bei Cashmerette ist die Auswahl für kleine Größen ja leider noch nicht allzu groß und die Schnitte ziemlich teuer.
Das Kalispell Dress hat Prinzessnähte, einen V-Ausschnitt mit durchgehender Knopfleiste, Nahttaschen und einen sehr weiten Rock mit Kellerfalten ... und es ist für Webware.
Eigentlich ist es selten eine gute Idee, Webware-Schnittmuster aus Wirkware zu nähen, aber der Pikee ist weniger dehnbar als andere Jerseys, deshalb habe ich es einfach mal riskiert. Bei meinem
Zipfelkleid habe ich es vor ein paar Jahren gemacht und musste das Kleid hinterher deutlich enger nähen, aber dafür liebe ich es sehr!
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Die Falten kommen vermutlich vom versetzten Brustpunkt.
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Aus meinen Erfahrungen mit dem McCalls-Schnitt fürs Zipfelkleid habe ich eine Nummer kleiner genommen. Größe 6 hört sich so winzig an - sonst trage ich Gr. 10-14. Eigentlich wollte ich die Taille eine Nummer größer nehmen (an der Hüfte ist das Kleid sehr weit, da ists egal), habe es aber beim Zuschnitt vergessen.
Es war super angenehm, keine FBA durchführen zu müssen, trotzdem habe ich noch einiges geändert - den Rock um 10 cm gekürzt, den Brustpunkt nach unten verschoben, die Schultern verschmälert und die Kappärmel etwas weniger hoch ausgeschnitten. Außerdem habe ich die Nahttaschen durch Eingrifftaschen ersetzt, das mag ich einfach viel lieber.
Die Krux bei dem Schnitt war: Ich hätte eigentlich 2,60 m gebraucht (2,40 m, wenn man die gekürzten Rockteile einkalkuliert). Ich hatte nur um die 1,90 m. Zum Glück hat der Stoff Überbreite von fast 1,60 m, deshalb hat trotzdem alles draufgepasst. Glück gehabt!
Bei einem schmaleren Stoff hätte es vermutlich mit Innenbelegen aus einem Kombistoff auch noch geklappt.
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Hier noch die originalen Schnittteile - nach dem Kürzen ging alles locker drauf.
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Was mich erstmal verwirrt hat: Wie bei allen amerikanischen Schnittmustern ist die Nahtzugabe inklusive - aber hier sind es ½ Inch, also 1,25 cm. Bisher habe ich ausschließlich 1 cm oder 1,5 cm Nahtzugabe gehabt ... zum Glück hat die Stichplatte meiner Maschine auch Inch-Markierungen, aber ich musste trotzdem mehr als einmal trennen, weil ich aus Gewohnheit mit dem falschen Abstand genäht habe.
Was mir gut gefällt: Beim A4-Schnitt ist angegeben, welche Seiten man für welche Cupgröße (und ggf. Kleidergröße) drucken muss. Beim A0-Schnitt sind die Cupgrößen A-C auf einem Bogen und die Größen D-DD auf einem anderen (die für alle Größen benötigten Teile sind auf den übrigen Bögen), sodass man nicht unnötig drucken muss. Leider ist mir das erst nach dem Druck aufgefallen; jetzt habe ich den Bogen für A-C auch hier liegen. Na, vielleicht näh ich das Kleid ja mal für wen anders, wer weiß!
Bevor es losging, habe ich noch einige Passform- und Design-Änderungen durchgeführt:
- Diesmal keine FBA (whoohoo!)
- Den Brustpunkt in vorauseilendem Gehorsam 6 cm nach unten versetzt, weil ich das bei Cashmerette machen muss - das war ein Fehler, weil nicht notwendig. Aber ich wollte halt kein Probeteil für einen Schrankleichenstoff machen.
- Schultern verschmälert
- Den Rock um 10 cm gekürzt
- Den Kappärmel weniger tief ausgeschnitten, d.h. die Kurve weiter nach unten versetzt. Wollte nicht so viel Oberarm zeigen, das braucht doch mehr Sonnencreme!
- Die Nahttaschen habe ich durch Eingrifftaschen ersetzt. Was ich dabei nicht berücksichtigt habe: Die Kellerfalten sitzen sehr weit außen und kamen sich dann mit dem Taschenbeutel in die Quere. Ich habe dann die eine Hälfte der äußeren Kellerfalte eben auf die andere Hälfte geklappt. Ist eine etwas andere Optik und ich habe dort jetzt sehr viele Stofflagen, aber geht noch.
Eigentlich wollte ich in der Taille eine größere Größe nehmen, weil das Kleid dort sehr figurnah ist. Habe ich beim Abpausen glatt vergessen! Zum Glück kann man bei der USA-typischen größeren Nahtzugabe noch ein bisschen was auslassen.
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Rückansicht. Bin nicht ganz sicher, ob das Rückenteil einen Hauch kürzer müsste.
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Dank der geschwungenen Knopfleiste ist das Kleid gar nicht so unaufwändig zu nähen - es wird viel gebügelt und vorm Nähen eingeschnitten. Tatsächlich gibt es für die Vorbereitung eine ganze Seite, wo überall Stütznähte genäht und Vlieseline aufgebügelt wird ... ich gestehe aber: Dazu war ich zu faul (wobei ich ja keine Webware vernäht habe; da wäre das was anderes) und habe nur die innere Knopfleiste mit Vlieseline versehen.
Apropos Knopfleiste: Ich habe die Knöpfe neu arrangiert, weil - wie so oft - kein Knopf am Brustpunkt vorgesehen war, sodass bei größerer Brust die Knopfleiste schnell aufspringt. Daher sind jetzt am Oberteil mehr Knöpfe mit kleinerem Abstand, am Unterteil weniger mit größerem Abstand (Memo an mich: Immer einen Ersatzknopf mitkaufen ...).
Leider stand mein
Maßeinteiler gerade nicht zur Verfügung und ich sah mich schon - wie früher - stundenlang Knopfpositionen berechnen und wieder verwerfen ... da fiel mir mein Ikea-Topfständer wieder ein!
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Zweckentfremdung! |
Bei der Innenverarbeitung habe ich es mir diesmal leicht gemacht und die eingeschlagene Kante des Belegs per Maschine angenäht statt wie sonst per Hand. Natürlich habe ich die Kante vorher umgebügelt und mit vielen Nadeln festgesteckt - es war etwas mühsam, die während des Nähens wieder zu entfernen, weil ich von außen genäht habe; vielleicht hefte ich demnächst lieber ... Hat aber erstaunlich gut funktioniert! An ein oder zwei Stellen bin ich nicht 100% zufrieden, aber die Nahtzugabe ist nirgends wirklich sichtbar.
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Sieht doch ganz sauber aus!
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Und mein Fazit?
- Das erste von drei Schrankleichenteilen, das ich für mich tragbar finde!
- Das Kalispell Dress funktioniert auch aus (leicht) dehnbaren Stoffen - vielleicht auch mit "normalem" Jersey.
- An sich gefällt mir das Kleid recht gut (bis auf die Farbe). Ich überlege noch, ob ich mich traue, das aus Webware zu nähen ... da müsste ich aber neu gucken, welche Größe ich brauche.
- Ich bin unschlüssig, ob ich es umfärben will oder nicht. Pro: Ich bevorzuge eigentlich dunkle oder leuchtende Farben. Contra: Ich hab jetzt alles in perfekt passendem Taubenblau abgesteppt und gesäumt. Ob das zu einer anderen Farbe gut aussieht?
Tragen werde ich es aber definitiv (bzw. habe ich schon) und gleichzeitig bin ich gute 1,30 m von einem anderen Stoff losgeworden. Hat sich definitiv gelohnt für mich dieses Mal!
Schnitt: Kalispell Dress von Itch to Stitch, Gr. 6 Cup DD
Material: Baumwoll-Pikeejersey
Änderungen: Rock um 10 cm gekürzt (und entsprechend die vordere Blende), Brustpunkt um 5 cm nach unten versetzt, Schultern um 1 cm verschmälert, Nahttaschen durch Eingrifftaschen ersetzt, "Kappärmel" weniger tief ausgeschnitten, Taille etwas ausgelassen (Memo an mich: Dort nächstes Mal eine größere Größe nehmen!).
Nachnähpotential: Definitiv, ich finde den Schnitt sehr schön!
Lg
Nria