Ich war Anfang Oktober auf dem Greylight 2142, einem Cyberpunk-Larp. Es war episch. Und natürlich wollte ich dafür gut angezogen sein.
Ich hatte eigentlich auf eine Rolle in einer der Gangs gehofft (ich sah
mich schon lässig als Gangsterbraut durch die Straßen schlendern, im coolen grünen Gang-Farbschema der "Emerald Blades", und
arglose Zivilisten abzocken), zugeteilt wurde mir aber eine Rolle im
Tattoostudio in der "Rifter"-Subkultur. Rifter sind bunt und fancy. Auch
gut. Also los!
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Cyberpunk-Tätowiererin auf dem Greylight
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Okay, bevor wir loslegen mit dem Outfit, werfen wir noch schnell einen kurzen Blick auf die Location. Die Orga hat quasi eine komplette Filmkulisse in einer Halle aufgebaut. Da will man sich outfit-technisch ja auch nicht lumpen lassen.
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Greylight-Kulissen |
Basis für das Outfit waren eine gekaufte Hose und ein gekauftes T-Shirt, weil ich die Muster perfekt fand. Dieser Print der Hose! Diese Neon-Flecken auf dem Shirt! Hätte ich diese Stoffe als Meterware bekommen, wäre es vermutlich weniger aufwändig gewesen, die beiden Teile komplett neu zu nähen, aber so hat es auch geklappt.
Ergänzend zu den beiden Upcycling-Basisteilen habe ich eine fabelhaften pink-transparente Vinylfolie, die ich secondhand übers Nähkromanten-Nähforum bekommen habe, und schwarzen Softtüll verwendet.
Die Änderungen an Shirt und Hose habe ich mit 3 Aspekten im Kopf vorgenommen:
1. Passform
2. Mehr sichtbare Haut für Tattoos (Tätowierer müssen schließlich selbst jede Menge Tattoos haben) - außerdem hat mir vorab jeder der vorigen Teilnehmer versichert, wie unglaublich warm es in der Halle sei
3. Mehr Cyberpunk
Erste Baustelle: Das Shirt.
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Neonfleckenshirt vorher und nachher
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Beim Shirt gab es nur Passform- und "Mehr Haut"-Änderungen: Ich habe die Ärmel abgetrennt, einen tieferen Ausschnitt ausgeschnitten, das Shirt gekürzt (und damit Stoff für Ausschnitt- und Armausschnittbündchen gewonnen), und zusätzlich das Shirt etwas tailliert und Brustabnäher hinzugefügt. Ich habe kein Schnittmuster verwendet, sondern beim getragenen Shirt Schnittlinien aufgezeichnet und Formänderungen abgesteckt.
Vom ursprünglichen Schnitt übrig geblieben sind ganze 3 cm Seitennaht auf jeder Seite.
Zweite Baustelle: Die Hose.
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Fertige Hose mit Riemendetails und Tattoo-Gucklöchern
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Auch hier habe ich als erstes Passformänderungen vorgenommen: die Saumbündchen abgetrennt, das Gummi rausgenommen (viel zu eng) und glatt wieder angenäht. Da ich das Gummi am Bund auch zu eng fand, habe ich den Bund auch abgetrennt, ein Stück Gummi eingesetzt und wieder angenäht, bei der Gelegenheit auch gleich Gürtelschlaufen eingesetzt.
Kommen wir zum spaßigen Teil, den Designänderungen:
Ich wollte Riemen, feste Riemen, lose Riemen, überall. Den Look kenne und mag ich aus der Cybergoth-Szene. Der lange Riemen ist aus Gurtband mit aufgenähtem Reflektorband, die beiden kurzen Riemen aus Vinylfolie, einmal mit Reflektorband und einmal mit schmalerem Gurtband.
Um mehr Platz für Tattoos zu haben, habe ich Einsätze aus schwarzem Softtüll eingenäht, was noch einen weiteren Vorteil hatte: Durch die nachträgliche Teilung konnte ich die Riemen mit der Maschine aufnähen, ohne die Hosenbeine seitlich auftrennen zu müssen. Ich habe also die Hose abgeschnitten - Gurtbänder aufgenäht - Tüll-Einsätze angenäht - Gurtbänder auf die Tüllstücke genäht - unteres Hosenbein angesetzt - den Rest vom Gurtband aufgenäht. Eigentlich war der Gurtband-Riemen bis zum Saum geplant, ich hatte allerdings bei der Längenberechnung die Mehrlänge zum Einsetzen der Steckschnalle vergessen - also endet der Riemen lose.
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Holo-Handytasche |
Damit wäre die Hose an sich fertig, es fehlt aber noch eine Tasche: Das Smartphone war Teil des Spiels mit einer speziellen App, über die man im Spiel Zahlungen abwickeln, einen Messenger nutzen und Spiel-News verfolgen könnte. Viele Mitspieler haben eine Unterarmhalterung verwendet, habe ich auch ausprobiert, aber Smartphones sind groß und meine Arme klein und das Handy wirkte mir dadurch viel zu dominant. Die Hosentaschen sind wie üblich zu klein für Smartphones, also habe ich schnell noch eine separate Tasche genäht.
Basis ist ein Holo-Heftumschlag, für mehr Stabilität mit transparenter Folie beklebt, auf der Rückseite Vinylfolie, beides eingefasst mit Schrägband. Den oberen Abschluss bildet Gurtband mit seitlichen Schlaufen für die Befestigungsringe. Die Karabiner sind an den Gürtelschlaufen eingehakt. Die Stoffstreifen waren eigentlich nicht Teil des Plans - ich habe nur den Abstand der Gürtelschlaufen ungeschickt berechnet, deshalb musste eine Verlängerung her.
Auftritt Vinyltop!
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Vinyltop mit Tattoogun
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Das Ding war das allererste, was ich geplant habe: Ein transparentes Folien-Holster-Westen-Top mit Steckschnalle. Ich hatte total Bock drauf. Und es hat mir den letzten Nerv geraubt.
Für die Schnittführung habe ich eine enge Weste/Bluse genommen (ich hatte noch ein altes Probeteil, sonst hätte ich eine genäht), angezogen und vorm Spiegel aufgemalt, wie das Top sitzen sollte. Ausgeschnitten - zack, Schnittmuster!
Ausschneiden ließ sich die Folie super, nähen auch, aber dann gings ans Wenden. Und die Folie klebt an sich selbst, rutscht kein bisschen, ich habe gezogen, geschoben und bin millimeterweise voran gekommen. Es war die Pest.
Würde ich nochmal so ein Projekt angehen, würde ich das Top entweder offenkantig verarbeiten oder mit Schrägband einfassen.
Vinylfolie bügeln geht übrigens wiederum gut, ich habe dafür Backpapier auf die Folie gelegt und das Bügeleisen auf die niedrigste Stufe (bei mir als "Nylon" angegeben) eingestellt. Nicht zu lange bügeln, so schmilzt nichts - die Folie wird weich und etwas dehnbar, man könnte auf diese Stelle die Folie also wohl auch ausformen.
Knickfalten bekommt man so sehr gut raus; das Top ist nicht ganz glatt geworden, weil ich die Nahtzugeben an den Rundungen nicht eingeschnitten habe (hätte mir optisch nicht gefallen und ich hatte Sorge, dass die Folie bei Belastung weiter reißt). Für die, die es interessiert: Foto vorm und nach dem Bügeln.
Zum Schluss kam noch ein kleiner Tattoogun-Anhänger an die Schnalle.
Foiljersey-Jacke
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Einsatz Foil-Jäckchen auf dem Greylight - Foto: Hagen Hoppe
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Inzwischen hatte ich doch etwas Angst vor der eigenen Courage bekommen, nur ein Trägertop anzuziehen. Ungeheizte Halle? Im Oktober? Also habe ich noch ein Foiljersey-Holo-Regenbogen-Farbverlauf-Shirt gekauft und wirklich quick&dirty einen Reißverschluss eingenäht, um ein Jäckchen draus zu machen. Seht ihr die Reißverschlussenden oben abstehen? Genau. So quick&dirty.
Ich weiß nicht, was ich von diesem Teil halten soll. Ist es scheußlich? Ist es genial? Auf jeden Fall passte es perfekt zu dem Look, den ich wollte!
Ein letztes Accessoire
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Leuchtarmband neu und modifiziert
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Eigentlich ... wollte ich dann noch ein aufklebbares "Cyber-Implantat" machen. Das hat aber nicht geklappt, mein Abguss war zu fein. Ich war unzufrieden und wollte noch irgendwas Leuchtendes, Cyberiges haben, deshalb hab ich mir auf die letzte Minute noch ein leuchtendes Jogger-Armband bestellt. Und auf die allerletzte Minute noch schnell einen silbernen Schlauchüberzieher genäht, weil das Klettband kratzig war.
Für weniger Jogger- und mehr Cyber-Optik habe ich ein Platinenmuster aufgemalt. Vorsichtshalber auf aufgeklebter Folie, falls es nach gar nix aussieht (die Falten auf dem Foto werden beim Tragen durch die Armrundung glattgezogen). Ich wollte das Muster auf Buchbindefolie durchpausen und die aufkleben, selbige war aber überall ausverkauft, also habe ich freihand auf Klebeband improvisiert. Das entspricht eigentlich nicht meinem Qualitätsanspruch an Kostümteile, aber für einen Schnellschuss musste es reichen. Die Farbe hat sich beim Tragen etwas abgerieben, das hat mich letztlich mehr gestört als die Zeichenqualität, aber sei's drum.
Feinschliff
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Klebetattoos und Kriegsbemalung
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Zum Schluss: Tattoos, Perücke, Make-Up. Die Klebetattoos sind alle von China-Shops aus dem Netz, ein Vollflop war dabei, der Rest hat mich positiv überrascht. Für solche Fullsleeve-Armtattoos empfehle ich, die Folie an der Armbeuge etwas einzuschneiden, sonst bekommt man sie nicht gut um die Armrundung. Ich hatte erwartet, dass gerade das großflächige Tattoo schlechter hält - das Foto habe ich nach zwei Tragetagen gemacht.
So, das war ein Act. Ich bin total zufrieden mit dem Ergebnis - ich bedaure es, dass es sich um eine One Shot-Veranstaltung gehandelt hat, die Rolle werde ich nie wieder spielen. Aber schön war's!
Eine schöne Zeit wünscht
Hana
Verlinkt beim
MeMadeMittwoch